Von Theodor Kissel
Sie waren vom eigenen Glanz geblendet - da nahmen die Athener den Kampf mit Sparta um die Vorherrschaft auf. Der Bruderkrieg war ein symbolischer Kampf der Systeme und Mentalitäten. Mit einer Lehre: Manc 12212x2314m hmal gibt es keinen Gewinner - sondern nur Verlierer.
Meterhoch schlagen Flammen rings um Athen empor, zerstören jede Vegetation. Die Felder brennen in jenem Sommer 431 v. Chr. zum ersten, doch nicht zum letzten Mal, angezündet vom Erzfeind Sparta. Der Krieg zwischen den beiden führenden Mächten des antiken Griechenlands, den man später den Peloponnesischen nennt, sollte 27 Jahre lang wüten. Er sucht nicht nur das Mutterland heim, sondern auch viele Inseln des östlichen Mittelmeers, die kleinasiatische Küste und sogar Sizilien. Am Ende siegte zwar Sparta, doch um welchen Preis? Auf den Schlachtfeldern wird die wohl glänzendste Epoche der griechischen Geschichte vernichtet, das klassische goldene Zeitalter.
In jenem Sommer wähnen sich die gut 200.000 Einwohner Athens hinter ihren "Langen Mauern" sicher. Der seit 15 Jahren führende Politiker, Perikles, hat sie bauen lassen, um die Stadt mit den sieben Kilometer entfernt gelegenen Häfen Piräus und Phaleron zu verbinden. Und um nun die Bevölkerung der umliegenden Dörfer und Weiler dahinter in Sicherheit zu bringen. An diesem Festungsring sollen sich die Spartaner die Zähne ausbeißen. Ausgleichende Gerechtigkeit: In der offenen Feldschlacht können Athens Truppen gegen die waffenstarrende Phalanx der spartanischen Hopliten wenig ausrichten.
Fast gelangweilt beobachten die Athener aus der Ferne, wie das feindliche Heer Getreide abfackelt und dann wieder abzieht. Doch die verbrannte Erde ist Spartas Strategie, dem Gegner die Ressourcen zu nehmen, Jahr um Jahr, bis 421 v. Chr. Athens Flotte greift im Gegenzug die mit Sparta verbündeten Küstenstädte auf dem Peloponnes an oder blockiert deren Nachschub. Perikles' Kalkül lautet: An Menschen und Geldmitteln Sparta überlegen, wird Athen länger durchhalten. Doch die Rechnung geht so schnell nicht auf. Währenddessen gerät Griechenlands Zivilbevölkerung allmählich in Not.
Es ist ein Kampf der Systeme und Mentalitäten: Auf der einen Seite Sparta, die nach Fläche bemessen größte griechische Polis, von einer kleinen Elite und zwei Königen regiert; sie beherrscht den Süden des Peloponnes. Mit den meisten Städten der Halbinsel ist sie verbündet und genießt dank der überragenden Armee einerseits, einer dennoch maßvollen Außenpolitik andererseits höchstes Ansehen. Die Seemacht Athen ist der bevölkerungsreichste Stadtstaat Griechenlands, demokratisch, weltoffen, doch von hegemonialen Ambitionen getrieben und oft arrogant gegenüber anderen Stadtstaaten.
Kriege werden von Menschen gemacht, nicht von den Göttern aufgezwungen, erkannte schon der Athener Thukydides (460-395 v. Chr.). Im Amt des Strategen versagte er und wurde von der Bürgerschaft dafür mit zwanzig Jahren Verbannung bestraft. Sein Exil führte ihn zu Verbündeten und Gegnern. Dabei avancierte der gescheiterte Feldherr zum Chronisten des Peloponnesischen Kriegs, den er als "die größte Erschütterung für die Griechen" bezeichnete. Thukydides unterschied Anlässe und Ursachen des Kriegs. Erstere gab es genug, wie das Handelsembargo gegen Spartas Verbündeten Megara oder der Abfall der Stadt Pottideia vom Delisch-Attischen Seebund 432 v. Chr. Doch den wahren Grund entdeckte der Historiker "im unaufhörlichen Wachstum Athens und der daraus resultierenden Furcht der Spartaner, die Athener könnten allzu mächtig werden".
Der Delisch-Attische Seebund machte Athen groß
Der Konflikt begann bereits Jahrzehnte zuvor im gemeinsamen Abwehrkampf aller Griechen gegen die Invasion der Perser. Am Ende stand zwar der Sieg, doch das Bündnis mündete nicht in ein vereinigtes Griechenland. Sparta, Anführer der Allianz, erteilte jeder militärischen Ambition über das Mutterland hinaus eine klare Absage. Athen indes, das mit seiner Flotte in der Schlacht von Salamis 480 v. Chr. der orientalischen Supermacht allein die Stirn geboten hatte, forderte, die Griechenstädte in Kleinasien von der persischen Herrschaft zu befreien.
Das war die Geburtsstunde des Delisch-Attischen Seebunds, der Athen groß machte. Jeder der rund 150 Bundesgenossen gab Schiffe oder Geld, die meisten Letzteres, und so flossen alljährlich 460 Talente beziehungsweise etwa zwölf Tonnen Silber in die gemeinsame Kasse auf der Insel Delos - daher der Name der Allianz. Derart üppig ausgestattet baute Athen eine Flotte auf, die binnen weniger Jahre die Griechenstädte im Westen Kleinasiens befreite. Und die freilich nach erfüllter Mission nicht aufgelöst wurde. Vielmehr nutzte Athen die Flotte nun als Machtmittel, gründete Militärkolonien in Thrakien, kontrollierte die Durchfahrt zum Schwarzen Meer und damit die Getreideimporte, expandierte und intervenierte - auf Kosten der Bundesgenossen. Auf ewig hatten jene Athen geschworen, "dieselben Freunde und Feinde zu haben", und zwar so lange, bis die beim Abschluss des Vertrags ins Meer geworfenen Metallklumpen "wieder aus den Wellen auftauchen".
Doch einige Städte versuchten, den Knebelvertrag zu kündigen - sie wurden hart bestraft. Um dergleichen schon im Ansatz zu unterbinden, mischte sich Athen in die inneren Angelegenheiten seiner Bundesgenossen ein, setzte Regierungen ab und ein, ernannte Aufsichtsbeamte und Besatzungstruppen. Das demokratische Ideal der Bürgerfreiheit mochte in Athen über alles gelten, außerhalb Attikas trat man es mit Füßen. Aus dem Seebund war eine Seemacht geworden, Athen sein Hegemon. Das alles verdankte Athen niemand anderem als Perikles. Seit Mitte der 450er Jahre dominierte er dort die Politik, wurde von der Volksversammlung alljährlich zum Strategen gewählt, was Thukydides zu dem Urteil veranlasste, Athen sei nur dem Namen nach eine Demokratie, in Wirklichkeit jedoch von einem Mann beherrscht worden.
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