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An die Berliner

Germana


An die Berliner

Aufruf aus Anlaß des 15 jährigen Jubiläums

als Gauleiter der Reichshauptstadt

28. Oktober 1941



Am heutigen Tage sind fünfzehn Jahre vergangen, seit ich die Ehre habe, im Auftrage des Führers die nationalsozialistische Bewegung in der Reichshauptstadt zu führen. Im Rückblick auf diese eineinhalb Jahrzehnte habe ich das Bedürfnis, der Berliner Bevölkerung und insbesondere meinen alten Parteigenossen, die mich auf dem schweren Wege der Eroberung der Reichshaupt­stadt und ihrer politischen, geistigen und gesellschaftlichen Um­wandlung begleiteten, meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen für die vielen Beweise der Anhänglichkeit und Gefolgschaftstreue, die sie mir dabei in guten und schlechten Zeiten stets entgegen­gebracht haben. Daneben verdient aber auch die Berliner Bevöl­kerung ein Wort der Anerkennung für die tadellose Haltung, die sie besonders in den zwei Kriegsjahren immer gezeigt hat.

Die Bürger in einer Viereinhalbmillionenstadt haben es manch­mal schwerer als anderswo. Sie können nur einträchtig und in Frieden neben- und miteinander leben, wenn sie die Disziplin zum obersten Gesetz ihres Gemeinwesens erheben. Wir Berliner müssen zusammenhalten und aufeinander Rücksicht nehmen, wenn wi 151y2415b r als Millionenstadt überhaupt bestehen wollen. Der Führungs- und Verwaltungsmechanismus unserer Stadt ist so feinnervig und kompliziert, daß er nur funktionieren kann, wenn alle Bürger daran mitarbeiten und dabei mit Eifer bestrebt sind, die öffentliche Ordnung zum vornehmsten Ideal ihres Zusammenlebens zu machen.

Das haben die Berliner und Berlinerinnen in den vergangenen zwei Kriegsjahren in anerkennenswerter Weise getan. Gleich nach

Kriegsbeginn hatten wir in der Reichshauptstadt eine monatelange Kälteperiode, vielfach ohne jede oder doch ohne ausreichende Beheizungsmöglichkeit zu überstehen, die alles bisher in dieser Beziehung Dagewesene weit in den Schatten stellte. Dazu kamen Transportschwierigkeiten, die einmal das Brot, einmal das Gemüse, einmal die Kartoffeln und einmal die Zigarren oder die Zigaretten knapp werden ließen. Wenn es für mich noch eines Anstoßes bedurft hätte, um die Berliner ganz in mein Herz einzuschließen, dann wäre er in diesen Monaten gegeben worden. Es war außer­ordentlich erfreulich, zu sehen, wie die reichshauptstädtische Bevölkerung dieser Schwierigkeiten Herr wurde. Zwar konnten wir einen Teil davon durch großzügige Gemeinschaftshilfe überwinden, aber es blieb doch immer noch genug davon übrig, um jeden ein­zelnen auf eine harte Probe zu stellen.

Berlin hat diese wie alle anderen, die uns in der Folgezeit noch auferlegt werden mußten, mit dem ihm eigenen harten Wirklich­keitssinn, mit der so viel verschrienen äußeren Kühle und der so wenig bekannten inneren Wärme seines millionenfach schlagenden Stadtherzens bestanden. Wir haben es genau wie alle anderen großen Städte nicht leicht gehabt im Kriege; aber auch wir sind mit ihm fertig geworden. Wenn die englischen Lügenpropa­gandisten ihre Hoffnung auf Berlin gesetzt haben, wenn sie glauben, gerade wir wären nicht stark im Nehmen und würden bei der ersten ganz schweren Belastungsprobe zusammenbrechen, wenn sie nicht müde werden, in die Welt hinauszuschreien, daß wir uns durch die Härte der Londoner beschämen lassen müßten, so können wir darauf nur auf gut Berlinisch antworten: Denkste!

Die Berliner hatten im Weltkrieg leider keinen guten Ruf. Das kam daher, daß sich in der Reichshauptstadt die parasitären Kriegs­gesellschaften festgesetzt hatten, daß vornehmlich in Berliner Zeitungen der Defaitismus propagiert wurde, daß hier Sozial­demokratie und Spartakus ihr Unwesen trieben und Juden und

Schieber unsere Stadt nach außen hin repräsentierten. Der Berliner selbst hatte entweder gar nichts oder doch nur sehr wenig damit zu tun. Trotzdem haben wir heute allen Grund, auf den guten Ruf unserer Stadt zu achten. Denn sie ist ja die Hauptstadt des Reiches. Sie muß danach streben, sich besonders auszuzeichnen durch ihre Disziplin, durch ihren nationalen Enthusiasmus, durch ihr sozialistisches Gemeinschaftsgefühl und durch die stolze Härte ihrer politischen Haltung, die sie in allen Lebenslagen zu beweisen hat. Sie muß, komme, was kommen mag, eine krisenfeste Stadt bleiben.

Dazu bringt ihr Berliner und Berlinerinnen alle natürlichen Veranlagungen eures Charakters mit. Zwar seid ihr in der ganzen Welt bekannt dafür, daß ihr nicht auf den Mund gefallen seid. Aber keiner weiß so gut wie ich, und ich habe aus den fünfzehn Jahren, die ich nun euer Gauleiter bin, tausendundein Beispiele und Beweise dafür, daß hinter eurer sogenannten Schnoddrigkeit ein warmes, mitfühlendes und teilnehmendes Herz steht. Wenn einer sagt, ihr seid kühl und ohne Begeisterungsfähigkeit, so ant­worte ich ihm, daß er euch nicht kennt oder nicht versteht oder über euch die Unwahrheit sagt. Ihr geht nur nicht mit euren Herzen hausieren. Anstatt gefühlvoll werdet ihr naßforsch. Aber ich weiß, daß das nur eine andere Art von Gemüt ist. Es ist auch gar nicht wahr, daß ihr in den steinernen Straßen und Häuserreihen eurer großen Stadt den Sinn für die Natur verloren hättet. Das sagen nur die, die Berlin niemals an einem Sommersonntag am Wannsee oder am Müggelsee erlebten, sondern die Reichshauptstadt nur kennen von gelegentlichen Besuchen, die am Anhalter Bahnhof beginnen und am Potsdamer Bahnhof ihr Ende finden.

Ich aber kenne euch besser. Als ich vor fünfzehn Jahren zu euch kam, brachte auch ich alle diese traditionellen Vorurteile gegen euch und eure Stadt mit. Ihr habt mich gründlich davon geheilt, und zwar nicht, indem ihr für euch Propaganda machtet, sondern

indem ihr einfach so wart, wie ihr seid: fleißig, arbeitsam, behende im Denken und im Handeln, ohne falsches Pathos und fernab jeder sentimentalen Rührseligkeit, begeistert für Dinge und Menschen, die Begeisterung verdienen, voll kühler Ablehnung gegen stupide Angeberei und gesegnet mit einem entwaffnenden Witz, den ich wie viele andere Nichtberliner zuerst gar nicht verstand, dann aber im Laufe der Jahre erst recht an euch lieben und schätzen gelernt habe, und den ich mir zum großen Teil, soweit ich ihn heute selbst besitze, bei euch anlernte, um damit meine politische Pole­mik zu würzen.

Wir haben es uns in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht immer leicht gemacht. Als ich 1926 zu euch kam, war im nationalen Lager allgemein die Meinung verbreitet, Berlin könne nur noch mit Gewalt dem nationalen Gedanken zurückgewonnen werden. Nach Moskau war es die röteste Stadt der Welt, und es nannte sich auch mit Stolz so. Ich habe es trotzdem mit der Kraft des Gefühls und mit der Gewalt der großen, neuen Idee des Führers mit euch versucht» und ich habe recht dabei behalten. Wenn die national­sozialistische Bewegung sich in Berlin durchsetzen konnte, so nur deshalb, weil ihr Berliner nicht so wart, wie man euch im Reich viel­fach ansah. Und was wir damals in der Kampfzeit in Tausenden von Versammlungen gelernt haben, davon zehren wir heute noch. Ich glaube nicht zuviel zu sagen, wenn ich behaupte, daß Berlin im Kriege die beste Gelegenheit hat und sie auch wahrnimmt, sich den Ehrentitel der Hauptstadt des Reiches zu verdienen.

Wie großzügig ihr seid, das habe ich daraus ersehen können, daß ihr es mir niemals zum Vorwurf gemacht habt, kein Berliner zu sein. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich einer geworden bin. Ich fühle mich wohl unter euch und lebe sehr gerne in unserer Stadt Hier verbinden mich Erinnerungen an jeden Stadtteil, an jede Straße, an jeden Platz und an jeden Saal. - Wohin ich auch verreisen mag, ich sehne mich immer wieder nach unserer Stadt

zurück, nach ihrer hellen und klaren Atmosphäre, nach ihrer Reg­samkeit, nach ihrem Arbeitsenthusiasmus, nach ihrem Tempo, nach ihrem wachen und elastischen Geist. Wenn ich morgens unter euch zur Arbeit gehe, wenn ich euch abends irgendwo in den Straßen und auf den Plätzen beobachte, wenn ich bei Großkund­gebungen im Sportpalast unter euch trete und mich die ganze hitzige Luft einer Kampfversammlung heute noch wie in alter Zeit umfängt, wenn ihr mir eure saftigen Zwischenrufe entgegen­schmettert, dann fühle ich mich bei euch zu Hause, dann denke ich manchmal, wie lohnend doch die vergangenen 15 Jahre für uns alle gewesen sind und daß sie die schönste Zeit meines Lebens waren.

Das wollte ich euch heute einmal in aller Öffentlichkeit sagen. Ich glaube, nach fünfzehn Jahren das Recht dazu zu haben. Die Zeit ist nicht dazu angetan, die Fackeln zu entzünden und Feste zu feiern. Wir sind im Kriege. Wann aber wäre ein gutes und auf­munterndes Wort eher angebracht als gerade jetzt? Ich weiß, daß ihr es heute schwer habt. Ihr alle müßt arbeiten wie nie. Eure Frauen stehen manchmal stundenlang vor den Geschäften, um etwas Gemüse zu kaufen. Eure Kinder sind vielfach landverschickt und monatelang von euch getrennt. Manchmal fehlt die Molle, manchmal die Zigarette. Dann müßt ihr, weil das nötige Personal nicht vorhanden ist, Kohlen schippen, dann nachts in die Luft­schutzkeller, dann nach zwei Stunden Schlaf wieder an die harte Arbeit. Das ist in vielen Städten des Reiches so, und mancherorts noch schlimmer. Wir von der Partei suchen nach Möglichkeit, eure Lasten zu erleichtern. Kein Tag vergeht, daß wir nicht damit beschäftigt wären, für euch zu sorgen und hier und da etwas für euch herauszuholen.

Aber trotzdem bleibt noch so viel übrig an Last, daß ihr genug daran zu schleppen habt. Daß ihr nicht murrt und nicht knurrt, daß ihr euch in das Unabänderliche willig und gehorsam fügt, daß

ihr trotz aller Unannehmlichkeiten, trotz aller durch den Krieg vermehrten Sorgen und Bedrängnisse nicht den Humor und die gute Laune verliert, daß ihr den Ehrgeiz habt, euch von keiner anderen Stadt beschämen zu lassen, dafür möchte ich euch heute danken. Und wenn ich daran die Bitte knüpfe, daß ihr auch in den kommenden gewiß nicht leichten Wochen und Monaten den Kopf hochhaltet und euch nie und nimmer unterkriegen laßt, so weiß ich, daß das für euch alle eine Selbstverständlichkeit ist.

Noch niemals habt ihr euch einem Rufe des Führers versagt. Wenn er heute mit seinen tapferen Soldaten Siege von weltge­schichtlicher Bedeutung erringt, so soll er hinter sich eine geschlos­sene, zu jedem Opfer bereite Heimat wissen und mitten darin die Hauptstadt unseres Reiches, aufrecht, tapfer, arbeitsam und lebens­mutig, allen Lagen und Schwierigkeiten gewachsen, den Ernst der Zeit ernst nehmend und das, was keinen Ernst verdient, mit Humor und guter Laune ertragend, mit einem Wort: eine Reichshaupt­stadt, die sich diesen Ehrentitel täglich neu verdient.


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