Germanische Stämme und Stammsprachen
3.1. Die Ostgermanen
Diese Stämme waren im Gebiet von Oder und Weichsel ansässig.
3.1.1.Die Goten stammen ursprünglich aus Südskandinavien, und zogen 200 n.Chr. aus dem Oder-Weichsel-Gebiet Richtung Schwarzes Meer ab und trennten sich in einen ost-und einen westgotischen Zweig. Sie waren unter dem Namen Gutonen (gotisch Gutans) bekannt. Der Name wird vom gotischen Wort giutan ("gießen") bzw. gutans ("gegossen") abgeleitet und als "Ausgießer" gedeutet. Am Ende des 3.Jhs. kam es zur Spaltung der Stämme, aus denen sich die Ost-und Westgoten entwickelten (Ostrogothi, glänzende Goten, und Visigothi, gute Goten)
3.1.1.1. Die Westgoten hießen auch Tervingi (hauptsächlich in ihren Siedlungsgebieten nördlich der Donau oder Vesi- bzw. Visigothi. Terwingen bedeutet "Waldleute" (gotisch triu = Baum); Vesi ist eine prunkende Selbstbezeichnung, die so viel bedeutet wie "die Edlen". Für die Ostgoten stehen auch die Namen Greutungi (hauptsächlich vor dem Hunneneinfall 375) und Ostrogothi, wobei Greutungen frei übersetzt Steppen- oder Strandbewohner heißt; Ostrogothi ist, wie weiter unten ausgefüh 222b12c rt, eine Selbstbezeichnung (Sonnenaufgangs-Goten).
Die Westgoten kamen über Byzanz und Rom (Alarich) bis nach Aquitanien (Waltharius) und auf die iberische Halbinsel, wo sie ein erst im 8. Jh. von den Arabern zerstörtes Königreich gründeten. Berühmt bleibt der Bischof Wulfila (oder Ulfila), der Verfasser des ältesten (nicht-runischen) germanischen Textes. Es geht um die überlieferte gotische Bibelübersetzung, für die er eine Alphabetschrift auf griechischer und z.T. runischer Grundlage entwickelte. (4.Jh.). Er gab den Goten nicht nur eine neue Schrift, sondern auch neue Wörter (Neologismen, Lehnbildungen), da viele Begriffe der griechischen Sprache im Gotischen nicht existierten. Um die Goten für die neue Religion zu gewinnen, musste er viele Parallelen mit ihrem Glauben ziehen. So z.B. verglich er Jesus Christus mit dem germanischen Sohn-Vater-Verhältnis, das auf Gehorsam, Unterordnung und Treue aufgebaut war. Infolge seiner missionarischen Tätigkeit wurden nicht nur die Westgoten, sondern auch Ostgoten, Burgunden, Vandalen und Langobarden christlich.
3.1.1.2. Die Ostgoten gründeten in Norditalien (unter Theodorich= Dietrich von Bern) ein kurzlebiges Königreich (5.Jh.)
Die Burgunder gründeten um 400 unter Gundahar (Gunther) im Rhein-Main-Gebiet (Worms) ein Reich, wurden 436 von Hunnen (in römischem Dienst) geschlagen und danach im Rhône-Gebiet angesiedelt worden. Ihr dortiges Königreich unterlag 534 den Franken, doch lebt ihr Name in Burgund fort.
Die Wandalen, die sich im Karpatengebiet niedergelassen hatten, zogen nach Westen bis auf die iberische Halbinsel (Andalusien). Sie wanderten weiter nach Nordafrika, wo sie ein kurzlebiges Reich (mit Karthago als Zentrum) gründeten.
3.2. Die Nordgermanen
Die Schweden sind als Sviones schon bei Tacitus bezeugt, die Dänen (als Nachfolger der abgezogenen Jüten) erst im 6.Jh. Die Nordgermanen besiedelten von Norwegen aus Island und fuhren weiter bis Grönland und Amerika (Wikinger und Normanen). Im Osten kamen die Waräger (über russische Flüsse, das Schwarze bzw. Kaspische Meer) nach Konstantinopel, ja sogar bis Bagdad. Europäische Herrschaften errichteten sie in der Normandie (von wo aus sie 1066 England eroberten) und auf Sizilien. Die bis heute relativ geschlossene Gruppe der nordgermanischen Sprachen kann als das alte primäre Kontinuum dieses Raumes aufgefasst werden
3.3. Die Südgermanen
3.3.1.Die wichtigsten West-Rhein-Germanen waren die Franken (wörtlich "Freie"), die eine überragende Bedeutung unter den Dynastien der Merowinger und Karolinger erlangten. Das Frankenreich wurde sogar als Nachfolger der römischen Herrschaft intalliert. Sie besiedelten das heutige Holland, Belgien und Nordfrankreich
3.3.2.Die Elbgermanen
Die wichtigsten Stämmer der Elbgermanen waren die Sweben, die Alamannen, die Hermunduren, die Langobarden, die Baiern.
3.4. Lehnbeziehungen
Verkehrs- und Handelsbeziehungen und kultureller Austausch mit nichtgermanischen Völkern führten zur Wort-Entlehnungen in die wie auch aus den germanischen Sprachen. Sehr stark wurden die germanischen Sprachen (besonders die westgermanishen) durch das Lateinische beeeinflusst. Während der Kriege gegen die Römer und später in deren Söldnerdiensten wurden die Germanen mit Ausdrücken der römischen Militärorganisation bekannt.
lat. |
ahd. |
nhd. |
pilum |
pfil |
Pfeil |
campus |
champf |
Kampf |
(via) strata |
strazza |
Straße |
milia |
milla |
Meile |
Es gibt auch andere Wortentlehnungen aus dem Bereich Handel (Naturalwirtschaft).
lat. |
ahd |
nhd |
caupo |
koufon, koufman |
Kaufmann |
moneta |
munizza |
Münze |
corbis |
korb |
Korb |
saccus |
sac |
Sack |
Entlehnungen aus dem Bereich Bauwesen:
lat. |
ahd |
nhd |
murus |
mura |
Mauer |
camera |
chamara |
Kammer |
cellarium |
kellari |
Keller |
fenestra |
fenstar |
Fenster |
Entlehnungen aus dem Bereich Alltagskultur (Hausgerät, Kleidung, Speisen):
lat. |
ahd |
nhd |
scrinium |
scrini |
Schrein |
speculum |
spiagal |
Spiegel |
soccus |
soc |
Socke |
coquina |
chuhhina |
Küche |
discus |
tisc |
Tisch |
caseus |
kasi |
Käse |
Entlehnungen aus dem Bereich Ackerbau (Garten-, Obst-, und Weinbau)
lat. |
ahd |
nhd |
molinae |
muli |
Mühle |
ceresia |
kirsa |
Kirsche |
prunum |
pfruma |
Pflaume |
vino |
vin |
Wein |
mustum |
most |
Most |
Entlehnungen aus dem Bereich Verwaltung
lat. |
ahd |
nhd |
Caesar |
keisar |
Kaiser |
toloneum |
zoll |
Zoll |
carcer |
karkari |
Kerker |
Im 3-5.Jh. übernahmen die Germanen unter griechischem und römischem Einfluss die Siebentagewoche, die einen orientalischen Ursprung hat und im Zusammenhang mit der babylonischen Sternkunde steht.
lat. |
anord. |
ahd. |
nhd. |
Solis dies |
sunnu(n)dagr |
sununtag |
Sonntag |
Lunae dies |
manadagr |
manatag |
Montag |
Martis dies |
ziostag |
Dienstag |
|
Mercurii dies |
odinsdagr |
Mittwoch (ist ahd. Euphemismus nach kirchenlat. media hebdomas) |
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Jovis dies |
thorsdagr |
donarestag |
Donnerstag |
Veneris dies |
friatag |
Freitag |
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Saturni dies |
sambaztag |
Samstag (aus hebr. schabbath) |
Griechische Lehnwörter finden sich vor allem im Gotischen, in der Bibelübersetzung des Wulfila, z.B.:
griech. |
got. |
drachme |
drakme ("Drachme") |
epistole |
aipistaule ("Brief") |
aggelos |
aggilus ("Engel") |
ekklesia |
aikklesjo ("Kirche") |
apostolos |
apaustaulus ("Apostel") |
episkopos |
aipiskaupus ("Bischof") |
Es gibt auch andere Wörter, die zeigen, dass das Griechische auch auf die westgermanischen Sprachen Einfluss hatte. (z.B.: Kirche vom griech. kyrike; Pfingsten aus dem griech.pentekoste)
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